Siegfried Schüller
Alles zu seiner Zeit
Es gibt Zeiten
in denen es gut ist
seinen Mund aufzumachen
und es gibt Zeiten
in denen man ihn
besser hält
und dann gibt's noch
Zeiten wie diese
in denen man am besten
auf die ganzen Zeiten
scheißt.*
Hier
gibt's das Gedicht als PDF
* Auf das oben erwähnte Tun sollte sich
die Zivilcourage im folgenden Fall allerdings
nicht beschränken:
„Wo Unrecht zu Recht wird,
wird Widerstand zur Pflicht.“
Dieser Spruch wird gerne und in den unterschiedlichsten Zusammenhängen
verwendet –
auf Webseiten von Abtreibungsgegnern ebenso wie auf denen von Juristen, Neonazis
oder Kommunisten.
Bei der Internet-Recherche bin ich
auf zahlreiche Versionen gestoßen
und ganz verschiedene angebliche Autoren des Zitats: von Lenin bis Papst Leo XIII.
Hier ein paar Beispiele (mit Links zu
den jeweiligen Fundstellen):
„Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ (Bertolt
Brecht)
Zitiert und
Bert Brecht zuschrieben auf der Wikipedia-Seite, die den Begriff "politischer
Widerstand" behandelt.
„Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“
(Bertolt Brecht)
So wird Brecht
– mit umgekehrtem – Wortlaut ebenfalls bei Wikipedia
zitiert.
Könnte in dieser Form dann aber auch von Goethe sein, z. B. als "Wandtattoo"
gefunden bei supertapete.de.
„Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“
(Wladimir Iljitsch Lenin)
Entdeckt auf der Seite eines Software-Anbieters.
Oder knapper formuliert:
„Wenn Recht Unrecht wird, wird Widerstand Pflicht.“
(Dr. Günther Nenning,
österreichischer Publizist); gefunden bei standardvertraege.de.
Oder –
mit päpstlichem Segen und sinnvoller Ergänzung:
„Wo Recht zu Unrecht wird,
wird Widerstand zur Pflicht, Gehorsam
aber Verbrechen!“
(Papst Leo XIII., 1891); zitiert bei abtreiber.com.
Weitere Variationen
der obigen Sprüche sind denkbar. Wie wär's zum Beispiel mit:
„Wenn Unrecht zu
Recht wird, wird Gehorsam meist Pflicht.“
oder
„Wo Unrecht zur Pflicht wird, wird Widerstand bisweilen gehorsam.“
Auch die Reihe
möglicher Urheber ließe sich durchaus erweitern, etwa durch Mahatma Gandhi, Martin Luther (King oder nicht King), Enrico Berlusconi,
Regine Künast oder Asterix und Obelix.
Fazit: Das Internet weiß fast alles, aber vieles nicht genau.
Ich füge deshalb zwei
weitere Zitate hinzu:
„Wo falsch zitieren zur Gewohnheit wird, wird Unsinn oft zu Link.“
und
„Wo Ungewisses zur Gewissheit wird,
da darf zu Recht gezweifelt werden.“
(Und diese Sprüche stammen jetzt garantiert von mir.)
Zitate falsch
wiedergeben, sie aus dem ursprünglichen Zusammenhang reißen und sie
für die eigenen Zwecke umdeuten: Dieser
Unfug zieht lange Fäden im weltweiten Netz.
Sascha
Lobo (bekannter Blogger mit Irokesenfrisur, die aussieht wie ein
Hahnenkamm)
hat dazu bei Spiegel Online
eine lesenswerte Kolumne
geschrieben. Sie befasst sich auch mit strittigen Äußerungen zu Joachim Gauck, von dem seit seiner Nominierung als
Bundespräsident zahlreiche, aus
dem Zusammenhang gerissene Zitate kursieren, wohl
in der Absicht ihn in ein negatives Licht zu setzen.
Hier können Sie
nachlesen was
Gauck wirklich gesagt hat. Außerdem hat er sich in einem
Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom Oktober 2010 ausführlich zu
seinen
Ansichten geäußert: Gauck
im Gespräch.