Siegfried Schüller
Wie Drögelmanns den Weltuntergang überlebten (Teil 2)
...
Blitze, dick wie Baumstämme, rückten näher und mit ihnen ein
dumpfes Grollen, als habe die Erde etwas schwer Verdauliches gegessen.
Ein
unheimliches Rauschen wurde lauter und lauter, dann brach es wie hundert
Güterzüge über den nächsten Hügel herein. Am Waldrand ächzten die Bäume, Windböen fegten durch ihre Wipfel und rissen die allerletzten
Blätter samt Ästen herunter. Die Straßenlaternen flackerten auf. Da und
dort klang es, als würde Glas zerspringen. Eine nach der anderen heulten von
allen Seiten die Sirenen auf.
Plötzlich wurde es wieder hell, als habe jemand
am Himmel das Deckenlicht eingeschaltet. Jetzt sahen Drögelmanns, wie die
Bäume knickten und reihenweise, wie in Zeitlupe umfielen.
Unten im Tal
leuchteten vor schwarzem Hintergrund die Drähte der Hochspannungsleitung -
erst weiß wie dicke Spinnenfäden, dann fingen sie an zu glühen, bis sie
schließlich mit scharfem Knall zerrissen und wie mit Peitschenhieben Funken
in die Luft schleuderten.
Ein Zischen kam von oben. Dann brachen glühende
Gesteinsbrocken durch die aschgraue Wolkendecke, sausten herab, zogen einen
dampfenden Schweif hinter sich her, schlugen erst in der Ferne ein, dann kam
ihr Zischen immer näher.
Waren das Außerirdische in ihren Raumschiffen?
Waren es die Götter der Tolpaken oder gar der Schöpfer selbst, dessen Zorn sich
gewaltig auf die Erde entlud. Wer konnte das sagen? Weglaufen und sich
irgendwo in Sicherheit bringen zu wollen, erschien völlig sinnlos, also
blieben Drögelmanns stehen, vor Angst ohnehin wie gelähmt und
gleichzeitig fasziniert von dem, was um sie herum vor sich ging. Was blieb
ihnen noch übrig, als mit allen Sinnen dieses Schauspiel aufzunehmen,
welches das letzte sein würde, was sie erlebten und zu sehen bekamen.
Wo
die Himmelsbomben auf den leeren Feldern einschlugen, spritzte der Dreck
haushoch empor und tiefe, qualmende Krater taten sich auf. Als einer der
glühenden Meteoriten in den nahen Fischweiher sauste, da verdampfte auf einen
Schlag das ganze Wasser wie mit dem Fauchen eines gewaltigen Drachen. Wo die
Geschosse im Wald niedergingen oder Gebäude trafen, loderten sofort Flammen
empor. Gastanks explodierten und wie ein großer, weißer Vogel erhob sich ein
ganzes Dach in die Luft, als eine der Bomben die zwei Kilometer entfernte
Tankstelle traf. Höher, als die Benzinpreise jemals geklettert waren, stieg
es, schien einen Augenblick zu schweben, ehe es wie zwei Flügel
zusammenschlug und herunterkrachte.
Die
Sirenen verstummten wie sie aufgeheult hatten, eine nach der anderen, weil es
die Gebäude, auf denen sie angebracht waren, nicht mehr gab. Dann flackerte
das ganze Firmament auf, es tat einen gewaltigen Donnerschlag, der die
Hauswände erzittern und Fensterscheiben zerspringen ließ. Alle Lichter, die
noch brannten, erloschen. Gleichzeitig wurde durch die gewaltige elektrische
Spannung auf einen Schlag das gesamte Gedächtnis der Menschheit gelöscht -
jedenfalls alles, was irgendwo in Datenbanken, auf Computerfestplatten und
anderen elektronischen Datenträgern gespeichert war. Was nicht als
schriftliches Zeugnis oder als Bild und auf Papier gedruckt in unterirdischen
Bibliotheken und sicheren Bunkern lagerte, war weg.
Schließlich
schnaubte ein gewaltiger, nasser Windstoß hernieder wie ein göttliches
Niesen und pustete das tobende Inferno aus, als wäre es nur eine
Kerzenflamme. Dann wurde es auf einmal still. ... Ganz still.
In
der Atmosphäre lag eine Mischung aus Silvesternacht in der Stadt, wenn die
Rauchschwaden von Raketen und Böllern noch in den Gassen hängen, und dem
üblen Geruch, der entsteht, wenn jemand auf dem Klo sitzt und gleichzeitig
raucht. Kein Windhauch wehte, kein Vogel erhob seine Stimme, jedes Wesen, das
noch lebte, schien zu warten auf das, was noch kommen würde.
...
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