Siegfried Schüller
Braune Brut
Wie Pflastersteine
wiegen ihre Argumente
in Händen die schon Schau-
fensterscheiben und Synagogen
zertrümmerten.
Gewichtig
wie die Erblast
von ein Dutzend Jahren
Geschichte, schöngehubert *
kriecht die braune Kröte
aus dem Vergessenwissen.
Gewissen,
längst kleingekriegt
in stacheldrahtdurchkränzten
Träumen vom Großdeutschen Reich,
in Wahlurnen zu flüchtig
begraben.
Wahlweislich durchkreuzigt
haben die Denkzettelverpasser
die Demokratie mit D und wie
demokratisch brandgezeichnet
doch nur sich selber
die dümmsten Kälber werden sie
wieder nicht gewusst haben,
was sie tun?
* Das Gedicht erschien 1993 in
der Anthologie "In Deutschland nichts Neues".
Es entstand bereits im Juni 1989: Die rechte Partei "Die
Republikaner" unter
ihrem
Vorsitzenden
Franz Schönhuber war damals mit 7,1 Prozent ins Europaparlament
eingezogen. Im Januar 1989 hatte sie mit 7,5 Prozent und elf Abgeordneten den
Einzug
ins Berliner Abgeordnetenhaus geschafft. –
Die "Braune Brut" der alten und neuen
Nazis witterte Morgenluft,
wagte sich wieder heraus aus ihren Löchern und schickte
sich
an, in die Schlagzeilen
und Parlamente unserer noch nicht wiedervereinigten
Republik einzumarschieren.