Siegfried Schüller
Scheuergate: Hundekacke und Kinderwunsch – was hat das mit der Maut
und dem Verkehrsminister zu tun?
Stellen
Sie sich vor, Sie treten voll in einen Hundehaufen. Puh, wie da die Schuhe
stinken. Was tun? Ab in die Tonne damit! Schade um die Schuhe, aber
schließlich soll's ja nicht überall stinken, wo man gerade hintritt.
Zum
Beweis machen Sie mit Ihrem Handy ein Selfie mit dem Hundehaufen. Die Schuhe
sind weg, aber es gibt ja noch das Foto. Vielleicht kann man den nachlässigen
Hundehalter für den Schaden haftbar machen. Nur: An seiner Kacke erkennt man
keinen Hund und den Halter schon gar nicht.
Aber
dann riechen Sie mal an Ihrem Handy! Da stinkt nichts mehr. Sie sehen den
Hundehaufen, aber er stinkt nicht. Selbst wenn Sie mit den Fingern darüber
wischen, sie bleiben sauber. Man sieht die Hundekacke und weiß, dass sie
stinkt, aber Sie riechen nichts.
So
ähnlich ist das auch mit dem Debakel um die Pkw-Maut. Und die sieht man noch
nicht einmal. Man kann sie nicht fassen. Wie den Scheuer-Andi. Jedenfalls glaubt
er das, der Noch-Verkehrsminister.
Nun
stellen Sie sich vor: Sie sind ein Mann und wollen unbedingt Nachwuchs. Sie
wissen aber, dass Ihre Frau wahrscheinlich gar keine Kinder will
– zumindest nicht von Ihnen
–, und dass Sie
selbst impotent sind. Um ganz sicher zu gehen, dass mit der Befruchtung alles
klappt, verwenden Sie deshalb vorsichtshalber ein vom Gutachter Ihres
Vertrauens empfohlenes Kondom. Und gleich nach dem Verkehr kaufen Sie einen
Kinderwagen, buchen einen Platz im Kindergarten und bestellen schon mal die
Einrichtung fürs Kinderzimmer.
– Da wird die Wiege wohl leer bleiben.
Kein
Mensch, der halbwegs bei Verstand ist, käme auf die Idee, auf diese Weise
eine Familie zu gründen. Aber ungefähr so und genauso Erfolg versprechend hat
es der Verkehrsminister mit der Maut gemacht, als er sie unbedingt und ganz
schnell einführen wollte. Aber Andreas Scheuer kann sich ja später
– auch wenn die Wiege
leer bleibt, und er nicht mehr Minister ist
– bestimmt in ein von den Mautfirmen gemachtes Bett legen.
560
Millionen Euro soll die ganze bescheuerte Pleite Staat und Steuerzahler
kosten. So viel verlangen die verhinderten Mautbetreiber an entgangenem Gewinn
für zwölf Jahre. 560 Millionen
– dafür, dass sie jetzt gar keine Leistung
erbringen müssen. Wieso eigentlich kassiert der Staat den horrenden Gewinn
aus der Maut für die Autobahnen nicht selbst? Warum sollen private
Unternehmen davon profitieren, wenn die Autofahrer für die Benutzung der
staatlichen
– also unserer
– Autobahnen zahlen müssen? Selbst im Mittelalter
haben die Landesherren das Eintreiben des Wegzolls nicht den Raubrittern
überlassen. Jedenfalls nicht freiwillig.
Mehr
als eine halbe Milliarde Euro. Was könnte man damit alles anfangen?
– Zum
Beispiel Bahn- und Nahverkehr besser und billiger machen; Krankenhäuser,
Schulen und Kindergärten bauen. Oder einen kleinen Flughafen,
Hubschrauber und Gewehre für die Bundeswehr anschaffen, oder
50 Kilometer neue Autobahn und Umgehungsstraßen in die Landschaft
asphaltieren. (Okay, was die zuletzt genannten Alternativen betrifft: Dann
doch lieber die Raubritter.)
Aber
was bekommen wir dafür? Einen Haufen Hundekacke. Den man zwar nicht sieht,
der einem aber trotzdem gewaltig stinkt.
Inzwischen
gibt es einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Mautaffäre. Aber wie
soll man einem Haufen Dreck nachweisen, dass er schmutzig ist? Es ist wie im
Märchen*
von des Kaisers neuen Kleidern. Jeder
kann sehen, dass der Kaiser nackt ist, aber alle loben seine schönen, neuen
Kleider. Bis ein kleines Kind kommt und laut sagt, was es sieht: "Aber er
hat ja nichts an!"
– Und stinken tut er auch. Und was da an des Kaisers
Handgelenk glitzert, ist vielleicht auch keine Rolex, sondern eine Handschelle.
* Hans Christian
Andersens Märchen Des
Kaisers neue Kleider weist noch weitere Ähnlichkeiten mit
Scheuers Maut-Affäre auf.