Alternativlose Alternativen
Ägyptens abgehalfterter
Präsident
hat seine Regierung neu gebildet
und einen ehemaligen Gefängnisdirektor 1
zum Innenminister ernannt.
Ist Mubarak schon so senil,
dass er die Symbolkraft nicht erkennt?
Oder ist es blanker Zynismus,
wenn er seinem Volk
einen Knastexperten vorsetzt?
Ahnt der alte Mann,
dass selbst ein Land ohne Freiheit
qualifizierte Führungskräfte braucht?
Oder zeigt er Galgenhumor
in aussichtsloser Lage?
Aber könnte man nicht –
wie in Ägypten
auch bei uns die Regierung
ein bisschen umbilden?
Da gibt es doch Alternativen!
Man nehme zum Beispiel:
einen fremdsprachenresistenten Volksmusikmoderator
und setze ihn ins Auswärtige Amt;
ein Bestattungsunternehmer
kann sich ums Gesundheitssystem kümmern
und ein alkoholabhängiger Investmentbanker
die Wirtschaft in Schwung bringen.
Alice
Schwarzer
übernimmt die Justiz;
die Personaldisponentin einer Zeitarbeitsfirma
sattelt um und macht "Familie und Gedöns"2;
ein pädophiler Priester wird Verteidigungsminister;
Schäuble bleibt – die Rolle ist schon top besetzt
und auch die, die kaum einer kennt, dürfen bleiben.
Thilo Sarrazin ersetzt
Dirk Niebel;
Hans-Werner Sinn erledigt Arbeit und Soziales;
um Mastschweine und Legehennen
kümmert sich die Pharmalobby;
für den Datenschutz sorgen
die Hacker vom Chaos Computer Club
und ein Verkehrsexperte wird Verkehrsminister.
Und damit das neue
Kabinett
nicht gleich im Streit zerfällt
darf eine promovierte Teilchenphysikerin
Kanzlerin bleiben – denn die Merkel,
die schafft das, alternativlos.
1
Es handelt sich um den pensionierten
Polizeigeneral Mahmud
Wagdi,
der Chef der Kriminalpolizei in Kairo und zuvor Gefängnisdirektor war.
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2 Die
despektierliche Bezeichnung für das Bundesministerium für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend stammt nicht von mir.
Gerhard Schröder hat den
Begriff im Wahlkampf 1998 geprägt.
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